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Veränderung des "scheinbar Unveränderbaren" - eine persönliche Geschichte



In unserem heutigen Blogbeitrag geht es um die Erfahrung einer unserer ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen. Ihre Geschichte zeigt, wie sich die persönliche Situation nach einem Übergriff im Laufe der Jahre ändern kann, wenn man bereit ist, nach vorne zu gehen und an sich zu arbeiten. Es ist eine Geschichte, die berührt und Mut macht und Inspiration für alle die ist, die diesen Weg noch vor sich haben:


„… Im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit im Opferschutzverein El Faro e.V., Berlin, habe ich neulich eine Betroffene zu einer Rechtsberatung begleitet, was immer sehr sinnvoll ist, weil sich die meisten Betroffenen mit den Fragen herum schlagen: Wie funktioniert das? Was kann ich überhaupt machen? Habe ich Aussicht auf Erfolg?

Das Spannende war, dass ich mit dieser Betroffenen zur gleichen Anwältin gegangen bin, die ich vor vielen Jahren selbst aufgesucht habe. Damals war mir eine schlimme Geschichte passiert, zudem noch im Ausland, wo Täter mich aus meiner Trutzburg und Sicherheit heraus gerissen haben, bedroht haben und ich vergewaltigt wurde. Ich bin damals genau zu dieser Anwältin gegangen und genau diese Frau hat mir geholfen, war sehr liebevoll, hat mir zugehört und vor allem: Sie hat mir geglaubt.


Und das ist ein Kernpunkt für viele Missbrauchsopfer: Die Angst, dass einem nicht geglaubt wird.

So irre und schrecklich meine Geschichte damals auch geklungen haben mag, sie hat mir geglaubt. Und auch wenn sie mir nicht direkt helfen konnte, war damals der Weg dorthin sehr wichtig für meine Entwicklung. Das Gefühl „ich mach jetzt etwas!“ und „ich lasse den Täter nicht einfach so damit durchkommen, sondern werde jetzt aktiv!“, das hat mir persönlich viel gebracht und mir auch Sicherheit und Stärke verliehen.


Vor dieser Zeit war ich in einem Zustand, von dem man sagen kann: Unter ferner Liefen. Und ich hätte ohne die Hilfe der ehrenamtlichen Mitarbeiter vom Opferschutzverein diesen Schritt nicht geschafft, weil ich zu viel Angst hatte und sehr verunsichert war.


Nach dieser ganzen Zeit, dem Weg, den ich gegangen bin und der Entwicklung, die ich gemacht habe, bin ich also wieder bei dieser Anwältin. Das Schöne war, dass sie mich sofort wieder erkannt hat und sie erinnerte sich sogar an die damaligen Tatbestände.


Was diese Begegnung so besonders gemacht hat war zu sehen, wie erstaunt sie gewesen ist! Sie hatte Tränen in den Augen und war gerührt, als sie gesehen hat, welche Entwicklung ich gemacht habe und aus der verängstigten, unsicheren, jungen Frau, die ich gewesen war, jemand geworden ist, der selbstsicher da steht und jetzt anderen Frauen hilft, ihr Leben in die Hand zu nehmen.

Sie betonte immer wieder, wie gut und stark ich aussehe nach dieser Zeit und freute sich sehr, dass ich den Weg zurück ins Leben gefunden habe.


Meine Erkenntnis nach diesem Erlebnis ist, dass einem oft erst über andere Menschen klar wird, wie gefühlsmäßig hart so eine Situation ist. Damals habe ich das nicht so wahrgenommen. Ich war eher in dem Gefühl von Angst, von „was soll ich machen?“, „welche Schritte muss ich gehen?“, „wie wird das alles weiter gehen?“. Ich war mit ganz anderen Dingen beschäftigt und hatte auch die Gefühle zur Tat, zu dem ganzen Geschehnis, nicht richtig zulassen können, weil es viel zu schrecklich war.


Durch diese Anwältin und ihre jetzige Reaktion konnte ich erkennen, wie gravierend dieses Erlebnis wirklich gewesen ist und wie schrecklich es war. Und dass sie sich so gefreut hat, dass ich wieder ins Leben und mein Gefühl zurück gekommen bin und ganz bewundernde Worte für mich übrig hatte: „Ich kann es kaum glauben und ich muss Ihnen ein ganz großes Kompliment machen, dass Sie so heute hier sitzen. Das hätte ich damals nicht für möglich gehalten.“


Ich bin heute dankbar für die Arbeit, die die Menschen vom Verein geleistet haben, denn wenn sie damals nicht dagewesen wären und mich unterstütz hätten, vor allen Dingen gefühlsmäßig unterstützt, das alles durchzustehen, ich hätte meinen Weg nie so gehen können und wäre aus diesem Irrsinn nicht so heraus gekommen.


Deshalb ist es mir so wichtig, dass ich heute das an andere Menschen, die zu unserem Verein kommen und Hilfe suchen, weiter geben kann, was ich selbst einst erhalten habe.


Das hat viel auch mit einer Vorbildfunktion zu tun für die, die traumatisiert sind. Es geht darum, zu vermitteln und auszustrahlen: Es gibt einen Weg da raus, auch wenn es für dich zur Zeit nicht so aussieht. Der Weg ist nicht einfach, aber es gibt eine Möglichkeit, aus diesem Irrsinn heraus zu kommen. Und wenn ich es schaffe, dann schaffst du es auch!


Und so war die Erfahrung bei dieser Anwältin nicht nur informativ, weil man ja auch immer etwas über die rechtliche Seite lernt, sondern vor allem auch bereichernd für die Anwältin, für die betroffene Frau und auch für mich, weil sie gezeigt hat: Es gibt doch Möglichkeiten, das Trauma zu überwinden, es gibt noch eine Zukunft, auch wenn der Mensch in diesem Moment gebrochen ist.

Gebrochen waren so viele von uns. Und auch wenn Narben bleiben, sind wir doch alle wieder aufgestanden und haben diesem Schicksal getrotzt und haben angefangen, für uns und unser Leben zu kämpfen. Dafür bin ich den Menschen dankbar, die mir damals geholfen haben und auch dem Leben, dass es mir die Möglichkeit gegeben hat, da heraus zu kommen und dass ich heute da bin, wo ich jetzt bin..."

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