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Mein Tagebuch: eine Reise zu mir selbst

Aktualisiert: 3. März

Heute möchten wir uns mit der positiven Wirkung des Tagebuchschreibens beschäftigen. Vielen fällt es schwer, sich mit den eigenen Gefühlen auseinander zu setzen. Hier kann das Führen eines Tagebuchs sehr hilfreich und auch heilsam sein.

 

Vielen Betroffenen von sexualisierter Gewalt fällt es häufig schwer, sich mit den eigenen Gefühlen auseinander zu setzen, sie überhaupt zuzulassen und sich selbst die Erlaubnis zu geben, Gefühle, welcher Art auch immer, überhaupt haben zu dürfen. Betroffene, die unter einer (komplexen) posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) oder auch einer psychosomatischen Erkrankung leiden, fällt es ebenso schwer, sich mit der eigenen Vergangenheit und den Folgen des Traumas zu beschäftigen und überhaupt erst einmal wieder Vertrauen in sich selbst und auch in andere Menschen zu haben. Ein Tagebuch kann dir ein hilfreicher und geduldiger Begleiter auf dem Weg zu dir selbst sein.



Dein Tagebuch: ein geschützter Raum

Bei vielen von uns, die schrecklichste traumatische Dinge erlebt haben, ist das Urvertrauen durch die Täter zerstört worden. Es fällt nicht leicht, wieder Vertrauen zu fassen, erst recht nicht, wenn es darum geht, unser Innerstes, unsere Schmerzen, Ängste und Bedürfnisse zu offenbaren. Selbst, wenn es sich um Menschen handelt, die in diesem Thema, wie sexualisierte Gewalt bewandert sind und uns helfen wollen; zu tief ist die Wunde, die uns die Täter, denen wir als kleine Kinder ja ebenfalls vertraut haben, geschlagen haben. Das Grausame ist, dass dabei das Vertrauen in uns selbst häufig gleich mit zerstört oder zumindest sehr stark angeschlagen wurde, so dass wir oft gar nicht mehr wissen, was wir glauben sollen und was nicht, ob unsere Träume nur Träume sind oder eine Erinnerung, ob unsere Gefühle gerechtfertigt sind oder nicht, falls wir überhaupt an unsere Gefühle herankommen, und diese zuordnen können.  





In all diesen Fällen kann ein Tagebuch eine große Hilfe sein. Wenn du noch nicht mit anderen über deine Gefühle sprechen kannst, dann hast du zumindest auf diese Weise ein Ausdrucksmittel und ein Ventil für Gefühle, die sich sonst immer weiter in dir anstauen würden. Du brauchst dabei keine unangenehmen Fragen zu fürchten, brauchst kein bestimmtes Tempo zu erreichen, niemand macht Druck; du allein bestimmst, was und wieviel du aufschreiben möchtest. Es ist wie ein Gespräch mit deinem Unterbewusstsein, das auf diese Weise die Möglichkeit hat, sich dir anzuvertrauen. Auch wenn du denkst, da ist ja gar nichts, was du schreiben kannst, ergibt sich das Schreiben meist von selbst, einem Wort folgt meist das nächste. 



Kennst du das Phänomen, dass du etwas suchst, z.B. einen Gegenstand, von dem du nicht mehr weißt, wo du ihn hingetan hast, und sobald du jemanden danach fragst, findest du ihn plötzlich oder dir fällt wieder ein, wo du ihn hingetan hast, noch bevor du die Antwort bekommst? Oder du versuchst dich an etwas zu erinnern, du fragst jemanden und noch bevor derjenige antwortet, fällt es dir selbst wieder ein? So ähnlich ist es mit dem Tagebuchschreiben. Sobald du eine Frage nach außen bringst, sie z.B. laut aussprichst und mit jemandem interagierst, hast du dir selbst geholfen. Du bist für dich eingetreten, bist aktiv geworden, der Knoten konnte sich lösen und erst dann konntest du die Antwort in dir finden.





Die Antwort, wo du z.B. den Gegenstand hingetan hast, war ja die ganze Zeit in dir, du hattest nur keinen Zugriff darauf und allein durch die Frage hast du wieder Licht ins Dunkel gebracht und dir geholfen, dich zu erinnern. Und auch das Tagebuchschreiben ist eine Frage, die du dir selbst stellst: Was beschäftigt mich? Was möchte aus mir herauskommen? Wie finde ich zu mir selbst? Selbst wenn du keine konkrete Frage hast, oder glaubst, keine zu haben, so werden sich durch das Schreiben manches Mal Antworten auf Fragen ergeben, von denen dir gar nicht bewusst war, dass du sie hattest, aber die dir helfen können, dich leichter zu fühlen, mehr Verständnis für dich zu haben, Ordnung in deine Gefühle zu bringen, zu verstehen, woher die Gefühle kommen, warum du handelst, wie du handelst und noch vieles mehr. Es ist ein Ort, der nur für dich ist. 



Häufig ist man so damit beschäftigt, nicht anzuecken, sich anzupassen und immer auf der Hut zu sein, nichts Falsches zu tun, einfach weil die Erfahrung uns gelehrt hat, immer das Schlimmste befürchten zu müssen und da ist es eine wahre Erholung, einfach mal, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen (unabhängig davon ob die Konsequenzen real sind oder auch nicht), alles rausschreiben zu können, was man am liebsten wirklich gesagt hätte, was man eigentlich anders hätte machen wollen, was man in Wahrheit gedacht hat, aber sich nicht getraut hat zu sagen. 



Wenn du Sorgen hast, dass jemand dein Tagebuch ohne deine Zustimmung lesen könnte, dann kannst du dir z.B. eine abschließbare Metallbox kaufen, in der du dein Tagebuch verwahren kannst. Den Schlüssel kannst du immer bei dir tragen und so ein beruhigtes Gefühl haben. Solche Boxen gibt es z.B. im Baumarkt oder im Internet, wenn du danach suchst. Wenn du auf deinem Computer schreibst, leg dir am besten in deinen Einstellungen ein Passwort an, mit dem man den Computer starten muss. Es geht dabei ja nicht darum, anderen zu unterstellen, dass sie heimlich das Tagebuch lesen würden, es geht einfach um das eigene sichere, beruhigte Gefühl, besonders, wenn das Vertrauen so oft verletzt wurde. 





Wenn du gar nicht weißt, was du schreiben sollst und lieber ein angeleitetes Tagebuch hättest, z.B. mit vorgedruckten Fragen, dann kannst du auf verschiedenen Plattformen entsprechende Vorlagen finden. Entweder gibst du deine Suche in einer Suchmaschine ein, wobei du dort auch nach kostenfreien Vorlagen suchen kannst, oder du schaust auf Seiten wie z.B. Etsy, wo du auch nach Tagebüchern suchen kannst. Diese sind dann entweder zum selbst ausdrucken, oder du kannst sie als digitales Dokument verwenden oder sie werden dir zugeschickt. Das siehst du dann in der entsprechenden Beschreibung. Dort findest du Tagebücher für Achtsamkeit, Dankbarkeit, Meditation, Stressabbau usw. 



Natürlich kannst du dir auch einfach selbst ein Dokument erstellen. Du kannst dir dazu selbst einige Fragen überlegen, die du in ein Dokument einfügst und dieses dann als Anleitung jeden Tag nutzen kannst (ausgedruckt oder digital). Falls dir gar nichts einfällt, kannst du auch gerne unsere Fragen übernehmen, die wir für dich zusammengestellt haben.


Hier eine kleine Auswahl:


  • Wie habe ich mich heute nach dem Aufwachen gefühlt? Was war mein erster Gedanke?

  • Was habe ich heute Nacht geträumt? Welche Gefühle hat der Traum in mir ausgelöst?

  • Gibt es etwas, das mir heute Angst gemacht hat? Wovor genau hatte ich Angst? Wie bin ich damit umgegangen? Wie wäre ich gerne damit umgegangen? Was könnte mir helfen, dass ich mich nächstes Mal sicherer fühle?

  • Was hat mir heute Freude gemacht? Konnte ich die Freude zulassen? Was hindert mich daran, die Freude zuzulassen? Oder: Wie kann ich dieses Gefühl in mir bewahren?

  • An wen musste ich heute besonders häufig denken? Was kann das bedeuten? Wie fühle ich mich dabei?

  • Wenn ich heute einen Wunsch frei hätte, welcher wäre das?

  • Habe ich heute Schmerzen gehabt? Habe ich mich gestoßen, tut mir etwas weh? Wie fühlt sich das an? Woran erinnern mich diese Schmerzen? Was brauche ich, damit die Schmerzen nachlassen, was kann ich tun? Macht es mich traurig, wütend? 

  • Wie war mein Tag heute? Ist er so geworden, wie ich ihn mir vorgestellt habe? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

  • Was ist mir besonders von dem letzten Film / Buch in Erinnerung geblieben? Warum? Wo musste ich wegschauen / weiterblättern? Warum? Was hat mich inspiriert?

  • Was hätte ich mir heute von einem anderen Menschen gewünscht? Wie kann ich mir das selbst geben? 

  • Was wollte ich heute eigentlich sagen und habe es mich nicht getraut? Was wollte ich eigentlich tun und habe mich nicht getraut? 

  • Wo war ich heute wie mein Vater, wie meine Mutter, wie XYZ? Woran habe ich das gemerkt? Fühlte es sich gut an oder schlecht?

  • Wie habe ich heute über mich selbst gedacht? Habe ich heute eher schlecht von mir gedacht oder gut? Woher kenne ich das? Was gibt es mir, schlecht bzw. gut von mir zu denken? Möchte ich das ändern? 

  • Wo habe ich gegen mein Gefühl gehandelt? Was hat dazu geführt? Wo habe ich auf mein Gefühl gehört? Was hat sich daraus ergeben?

  • Worauf bin ich heute stolz? Wofür bin ich dankbar?

  • Gibt es etwas, wofür ich mich entschuldigen möchte? Bei mir selbst, bei jemand anderem? Dann tue ich das hiermit.



Dies sind nur einige Beispiele. Vielleicht fallen dir schon beim Durchlesen eigene Fragen ein oder wie du sie für dich passend umformulieren würdest. Ansonsten kannst du gerne so viele Fragen übernehmen, wie du möchtest. Wenn du merkst, dass es doch zu viel wird oder Gefühle hochkommen, die dich überfordern, dann mache eine Pause, lasse diese Fragen weg oder hole dir Hilfe. Das Ziel ist natürlich immer, dass es dich weiterbringt und nicht, dass es dir schadet, Tagebuch zu schreiben. Wenn du Fragen dazu hast, kannst du dich auch gerne jederzeit an uns wenden. Wir sind gerne für dich da. 


Wir hoffen, dass wir dir einen Einblick in dieses schöne Thema geben konnten und wünschen dir nun alles Liebe auf deiner Tagebuchreise zu dir selbst. 


 


Solltet ihr Fragen haben oder Hilfe benötigen, dann könnt ihr jederzeit Kontakt zu uns aufnehmen.

Wir sind gerne für euch da.


Telefon: (030) 35 13 50 94


Quelle (Bilder): Wix Mediathek & Unsplash



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