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WIE ERKENNE ICH DAS POTENZIAL ZUM TÄTER?

Wie Helfer zum Täter werden und wie Betroffene sich davor schützen können.   Erfahren Sie mehr in unserem aktuellen Videoblog.



Gerade jetzt und immer wieder kommt das Thema auf, dass Helfer und  Vertrauenspersonen, die vom Fach sind zum Täter werden.

Selbst renommierte Organisationen tauchen in diesem Kontext in der Presse auf - Organisationen, die wertvolle humanitäre Arbeit leisten, im Dienste der Menschlichkeit stehen und in schweren Fällen fast unvoreingenommen das Prädikat „Retter in der Not" von einem verzweifelten, oft in einem lebensbedrohlichen Zustand befindlichen und nach fast jedem Strohhalm greifenden Menschen bekommen.

Es gilt: je verzweifelter der in Not Geratene ist, um so größer ist der Vertrauensvorschuss, der unbedingte Wunsch, die Hoffnung und der benötigte Glaube daran, dass dieser Mensch, der einem die helfende Hand reicht, sorgsam und verantwortungsbewusst mit der in seinen Händen liegenden Seele umgeht.

Ebenso finden sich immer wieder Sexualstraftäter/innen im nahen Umfeld von Kindern.

In der Regel ehemalige Opfer, die ihren eigenen nicht verarbeiteten sexuellen Missbrauch wiederum an ihren Opfern ableben und wo sich nicht selten die Gesellschaft überrascht gibt, dass nun gerade die, die sich liebevoll engagieren, sich in leitende Positionen hochgearbeitet haben, höchste Anerkennung genießen, ja sogar akademische Titel tragen und sich großen Einfluss gesichert haben, zum Täter wurden. Diese durch Titel etablierten „Vorbilder“ oder besser gesagt „Blender“ sollen der Wolf im Schafspelz sein?

Ein Teufelskreis, der unterbrochen werden muss – dies gilt für die „Weitergabe“ des Missbrauchsvirus, sowie für die Stigmatisierung und Verdrängung seitens der Gesellschaft.

Aber wie erklärt es sich warum Helfer zu Tätern werden, die geschwächte Situation des Betroffenen ausnutzen?

Setzen wir einen Menschen voraus, der vielleicht tatsächlich gute Absichten hatte, sein Traumata als aufgearbeitet sah und sich gerade auch aus dieser Motivation in den Dienst der guten Sache stellte.

Denn auch kommt das Gesetz der Anziehung zum Tragen: jemand der sich zu einem besonderen Engagement berufen fühlt, wird seine persönlichen Berührungspunkte darin haben und es liegt an jedem selbst was er daraus macht.

Arbeitet derjenige nun mit Betroffenen sexualisierter Gewalt, also mit schwerst traumatisierten Menschen, die dieses Schicksal oft von Kindheit auf an durchleben mussten, bewegt der Helfer sich von vornherein schon auf sehr sensiblen Gefilden. Eine professionelle Ausbildung ist, wie man nun auch unschwer an den in den Medien zu Tage getretenen Fällen sehen kann, unbedingt notwendig und Gespräche sollten im Zweifel zu zweit geführt werden. Und dies sind nur zwei Punkte, die es in dieser sehr anspruchsvollen und speziellen Arbeit zu beachten gibt.

Die Berichte von Betroffenen sind grausam und überschreiten Grenzen, die oft jenseits des Vorstellbaren liegen. Dieser Tatsache zum Trotz ist jedoch jeder Helfer gefragt hier Einfühlungsvermögen zu beweisen, offen zu bleiben, nicht zu verurteilen und wenn nötig den Betroffenen auch zu ermuntern weiterzureden, damit er sich seelisch erleichtern kann, einen bewussteren und gefestigten Umgang mit sich und seinem Schicksal erreichen kann. Gleichzeitig geht es auch in einigen Fällen, um Anzeigenerstattung und Behördengänge, die einen stabilen Umgang mit dem Erlebten erforderlich machen, um sich seiner Selbst bewusst zu sein und die Schlachten schlagen zu können, die nun vor einem liegen und den Wogen des Lebens sicher entgegentreten zu können. Helfer haben als Mensch und aus ihrer Erfahrung heraus die Aufgabe einem Betroffenen ihre Stärke wieder bewusst zu machen, sie aufzubauen und sie dürfen sie auf gar keinen Fall aufgrund ihrer eigenen Vorbehalte, Ängste und Unsicherheiten fehlleiten oder gar erneut unterdrücken. Halten wir uns an dieser Stelle vor Augen, dass die Betroffenen das erleben mussten, wo manch ein Helfer lieber die Augen und Ohren verschließt und er konnte nicht auf "Stop" drücken.

Jeder, der mit Erlebnissen solcher Art vertraut ist, der durch einen betroffenen Menschen ins Vertrauen gezogen wurde, weiß wie zerrissen von Schuld und Scham derjenige ist. Selbstvorwürfe, Ekel vor sich selbst und die Verachtung des eigenen Körpers, sowie natürlich der Sexualität sind enorm und der Normalität oft völlig entrückt.

Die Schuld- und Schamgefühle beim Täter zu lassen fällt mehr als schwer und die Opferhaltung manifestiert sich leider nicht selten – schließlich konnte man nicht ausreichend „Nein“ sagen, sich nicht nachhaltig zur Wehr setzen, man hat es geschehen lassen – irgendwie aufgegeben, sich innerlich zurück gezogen, um es zu überleben. Die Betroffenen nehmen eine "seelische Schonhaltung" an, bleiben im Trauma gefangen.

Auch wenn das Helfersystem heute als weiter fortgeschritten gilt, lässt sich doch mit Erschrecken feststellen, dass es gerade unter den sogenannten „Fachleuten“ und Helfern genügend „schwarze Schafe“ gibt, die für die in den Opfern durch die Täter angelegten Zweifel und tiefgreifenden psychischen Manipulationen nicht genügend spezialisiert ausgebildet sind. Hier kommt es oft zu vorschnellen Verurteilungen unter anderem mit der Folge, dass den Opfern nicht genügend Glauben geschenkt wird, sie nicht ernst genug genommen werden und ein mangelhafter Therapieweg eingeschlagen wird. Ein Betroffener zieht sich daraufhin in der Regel innerlich zurück und wird erneut in den Teufelskreis des ewigen Opfers gedrängt.

Durch die Ambivalenz in dem Betroffenen, da er die aufgenommene pervertierte und sexualisierte Gefühlswelt der oder des Täters in sich trägt, nehmen die Helfer die Erlebnisse auch aus der Perspektive der Täter/in auf.

Mit der Folge, dass das Opfer nicht mehr als Opfer wahrgenommen wird, sondern als jemand, der es vielleicht auch so wollte?! Zweifel werden wach.

Kommt nun die Achillesferse eines Helfers hinzu die durch den eigenen unverarbeiteten sexuellen Missbrauch besteht, potenziert sich diese Wahrnehmung, die sexuellen Spannungen steigen und die Gefahr ist sehr groß an dieser Stelle selbst zum Täter zu werden.

In diesem Fall ist für den Helfer nicht mehr zu unterscheiden, dass der eben erzählte Schicksalsbericht ein grausames Drama gegen den Willen des Betroffenen war, sondern es stellt sich von der anderen Seite der Medaille, der dunkeln Seite, als pornographische Erzählung dar.

Hier schaltet der Verstand, jegliche Logik ab und ist vernebelt von sexuellen Spannungen, die sich entweder in sexueller Nötigung, Belästigung bis hin zur Vergewaltigung zeigen können. All dem wird das hilfesuchende Opfer sehr wahrscheinlich wehrlos und fassungslos zu gleich gegenüber stehen.

Der Super - GAU ist damit erreicht.

Eine Retraumatisierung in Form von weiteren sexuellen Übergriffen durch einen vermeintlichen Helfer/in schürt eine noch höhere, wenn nicht in vielen Fällen eine unüberwindlich scheinende Hemmschwelle sich zu offenbaren und sich erneut Hilfe zu suchen, die man nun dringender benötigt als je zuvor. Die davongetragenen Schädigungen, sind kaum in Worte zu fassen und können in nicht wenigen Fällen zum Suizid führen, da der Glaube in sich und die Menschheit für die Betroffenen nun umso mehr irreparabel scheint.

Und gerade um diese Dramatik wissend, sollten beide Seiten - Helfer und auch Betroffene - sich noch weiter für diese Thematik öffnen, die Mechanismen durchschauen lernen, um den Teufelskreis durchbrechen zu können und um Aufklärung, sowie wirkungsvolle Prophylaxe möglich werden zu lassen.

Zum Abschluss kann aus unserer langjährigen Erfahrung in der Arbeit im Opferschutz - auch auf die zur Zeit immer lauter werdenden Stimmen, dass wir in Deutschland ein engeres Netz von Helfern und Therapeuten benötigen und ein Notstand herrscht - gesagt werden, dass Helfer, Therapeuten, Menschen in sozialen Bereichen, Menschen, die für andere Verantwortung tragen „nur“ aufgrund ihres Titels, ihrer Aufgabe und ihrer Tätigkeit nicht davor geschützt sind Selbstreflexion und innere Weiterentwicklung zu betreiben.

Wie sagte Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“

Bleiben wir also offen und verstecken uns nicht hinter theoretischem Wissen, Titeln, Dogmen und Bequemlichkeiten. Gerade die Arbeit mit traumatisierten Menschen ist komplex, vielschichtig und fordert ein großes Maß an Kraft und Geduld und niemand kann über ein von jedem Zweifel erhabenes Wissen in diesem Bereich verfügen und jeder sollte sich wagen immer wieder ein Stück über den (eigenen) Tellerrand hinaus zu schauen.

Zeigt uns doch jede zerrissene Seele, jede Entgleisung nur, wozu das Tier Mensch im Stande ist und ist es doch an uns, die wir es besser wissen, die wir die Kraft haben uns eben für jede verlorenen Seelen zu öffnen, um uns als Menschheit die Chance auf Weiterentwicklung zu ermöglichen und den bösen "Überraschungen" ein Ende zu setzen.

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