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REDEVERBOT = ÖFFNE DICH NICHT!- WENN MAN REDEN WILL UND NICHT KANN

Ein von den TäterInnen blockiertes Seelenventil, welches zwei wesentliche Dinge hervorruft: Schutz der TäterInnen und die Isolation des Opfers, da es gefangen in sich selbst bleibt und die gestauten Gefühle sich gegen den Betroffenen selbst richten mit der Folge von schweren psychischen und physischen Erkrankungen bis hin zum Tod.

Ein Erfahrungsbericht einer Selbstbetroffenen, mit dem Anstoß zum Nachdenken seinen Blickwinkel zu verändern.

Gefühle - sie gehen in uns hoch und runter Wer von uns kennt es nicht auch, die Antwort "gut" auf die Frage wie geht's dir? Doch fühlen wir uns in den Momenten wirklich gut oder ist es das "gut" vor den versteckten eigenen Gefühlen vor denen man Angst hat sie zu zeigen und die Dinge über den Missbrauch auszusprechen. Die Offenbarung unserer Gefühle und zeitgleich die Öffnung zu unserem eigenen Ich und seiner Verletzbarkeit ist Anfangs schwierig und doch ist sie wichtig für uns und unseren Schutz. Wie sollen wir handeln und uns mehr Lebensqualität erarbeiten wenn wir nicht wissen wie wir uns fühlen und wo unsere Bedürfnisse liegen?

Gefühle sind einfach, klar, schön und lebensnotwendig, wie ich - wieder -  lernen musste.

Das Schweigen brechen - wie oft geraten wir damit in Konfrontation im Alltag? Damals zu Zeiten des Erlebens war es eine Maske, die uns geschützt hat und die uns nicht nur funktionieren, sondern auch überleben ließ.  Die eigenen Gefühle und Bedürfnisse nach hinten stellen - darin sind wir Profis geworden und dieser "Gefühlsmuskel" ist so gut trainiert, dass er einem Automatismus gleich mit Leichtigkeit und unbemerkt von uns abgerufen wird. Ja, damals war es ein Kampf ums Überleben und notwendig.

Nur haben sich die Bedingungen im Heute geändert wenn wir aus der Gefahrensituation heraus sind.  Jetzt dürfen wir uns zeigen und müssen es sogar - nämlich vor uns selbst. Holt es uns doch immer wieder auf den unterschiedlichsten Ebenen im alltäglichen Leben und der stetig massiver werdenden Symptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung ein.

Nun, der erster Schritt "es" auszusprechen ist nicht immer einfach. Wo uns doch immer eingeredet wurde Stillschweigen darüber zu bewahren und diese am Besten noch gespickt mit Konsequenzen auf unterschiedlichsten Ebenen. Sätze wie: "Reden? Wer soll mir das schon glauben? Und an welcher Stelle?" versiegelten, wie viele andere Sätze unseren Mund und raubten uns nicht nur den Atem. Zu oft durften wir die entsprechenden Sanktionen spüren, die sich bis ins Erwachsenenalter durch unser Unterbewusstsein in unser Leben drängen.

Allgemein teilt jeder Betroffene den sexuellen Missbrauch unterbewusst mit.  Zwar nicht in direkter Form und es spiegelt das Erlebte nicht eins zu eins wider, vielmehr ist es ein "verplappern" und "verraten" durch bestimmte (Nicht-) Handlungen und Reaktionen auf emotionaler und körperlicher Ebene.

Am Beispiel eines Kindes wird dies deutlicher: Der Täter, der dem Kind in der Regel sehr nahe steht und ein Vertrauensverhältnis zu ihm hat, verbietet dem Kind darüber zu schweigen, weil es sonst eine Strafe bekommt oder es wird ihm bewusst eingeredet das es ein "Geheimnis" nur zwischen den beiden, dies etwas ganz Besonderes oder gar "Liebe" ist. Wie viele wissen, tun Kinder genau das was sie meist aus guten Gründen nicht sollen, ihnen ist jedoch aus dem Abhängigkeitsverhältnis und aus der Angst heraus oft kein anderer Weg möglich.

Damit bleibt diesem, sich in der Entwicklung befindlichen, kleinen Menschen oft nur der unbewusste Weg, so dass er stellvertretend Vergewaltigungs- und Gewaltszenen im Kindergarten in der Puppenecke oder in der Schule nachstellt, sich seine gestauten Gefühle am Umfeld entladen oder auch deutliche Bilder malt. Dies ist dem Selbstheilungsprozess der Seele geschuldet, die sich von dem unverarbeiteten Ballast bzw. Gift befreien muss, um heilen zu können und der weiteren, sich manifestierenden Schädigung vorzubeugen. Dies ist vergleichbar mit einer Wunde, die nicht gereinigt wird, vereitert und bei Nichtversorgung die Sepsis droht. 

Diesem Selbstheilungstrieb der Seele, der die Erinnerungen immer wieder ins Bewusstsein schiebt, sind wir unser Leben lang unterlegen und niemand kann sich ihm wirklich entziehen. Es ist am Ende jedem seine persönliche Wahl wie er damit umgehen möchte und kann und welche Konsequenzen er bereit ist für sich zu tragen.

Durch die Redeverbote und andere Blockaden der TäterInnen werden lebensnotwendige Ventile blockiert, die bei Nichtbearbeitung ein lebenslanges Leid hervorrufen. 

Wer kennt es als Betroffener nicht: Hat man nur den Gedanken darüber zu reden, springen automatisch "Gegenprogramme" an wie: "Wenn du es wagst zu sprechen, dann ...." Und auch wenn man diesen Satz in sich nicht bewusst wahrnimmt, so reagiert der Körper stellvertretend. Der Atem stockt, der Hals schnürt sich zu, es kommt zu Schweißausbrüchen und im schlimmsten Fall packt uns die Panikattacke bis hin zum dissoziativen Zustand. Der totale Kontrollverlust versetzt uns in eine Art Reinszenierung des Dramas. Da ist sie wieder die Macht- und Hilflosigkeit, die Verzweiflung nicht Herr seiner Selbst zu sein und sich gefangen zu fühlen.   Die scheinbar undurchdringbare Mauer und das Sprechverbot, das sich an (Todes-) Ängste koppelt ist wieder da, man fühlt sich in alten Verhaltensmustern gefangen und mal wieder erneut als Opfer. Ein Gefühl, welches selbst über den Tod der TäterInnen Bestand haben kann, aber nicht haben sollte, um den Weg in das Leben danach zu beschreiten.

Wie heißt es so schön, die Macht der TäterInnen ist die Ohnmacht der Opfer.

Wollen wir wirklich die TäterInnen, die vielleicht sogar schon tot sind, über unser Leben auf diese Weise bestimmen lassen und ihnen weiterhin die Macht über uns, als heute Erwachsene geben?

Wenn es unsere Eltern waren, haben sie überhaupt noch irgendeine Autorität in unserem Leben und nicht das Recht auf das Prädikat Familie, Eltern, Vater oder Mutter mit ihrer Straftat an uns längst verwirkt?

Können wir heute, als die erwachsenen Menschen, die das Drama bereits überlebt haben, nicht anders - neu entscheiden? 

Wie abhängig sind wir denn noch und wer ist der wichtigste Mensch in unserem Leben? 

Sind wir es nicht, die heute die Macht über unser Leben haben und selbst bestimmen können, so wie wir heute selbst bestimmen ob wir den Kampf aus dem Opferdasein antreten oder nicht? So wie wir entschieden haben, den Kontakt abzubrechen oder selbst ein anderes Leben zu wählen als die, die es nicht geschafft haben aus ihrem Opfer herauszugehen und schließlich selbst zum TäterIn an uns wurden? 

Zwingt uns nicht auch das Leben selbst dazu, selbstständig und autark zu werden, uns unabhängig zu machen? 

Am Ende wird niemand anderes als wir selbst den Scherbenhaufen in uns aufkehren und zusammensetzen, auch wenn wir noch so sehr das Anrecht aus dem Kind heraus hätten. Wir haben die Macht und die Verantwortung für uns - als Einzige!

Sprechen und reden bedeutet sich für sich selbst zu öffnen, aber auch es zumindest bei einer vertrauten Person öffentlich zu machen, Gefühle auszudrücken, sich verständlich zu machen und auch eine innere Kommunikation mit sich selbst möglich zu machen, Gedanken und Gefühle zu ordnen. Ohne die Öffnung für uns selbst kommen wir nicht wirklich weiter und es ist nicht möglich sich von dem Ballast zu befreien. 

Das Risiko an diesem Gift in einem krank zu werden ist sehr groß und wahrscheinlich. Führt man sich einmal vor Augen in welchen Lebensbereichen und in welchen Maße man leidet und wie sehr die Lebensqualität unter der "Seelenverstopfung" leidet, erkennt man was man alles im Stande war zu verdrängen und auf welch ein minimales Feld sich das eigene Leben im Laufe der Jahre reduziert hat. Ich habe so viele Betroffene kennengelernt, die mit so wenig in ihrem Leben zufrieden waren, einfach aus der Angst neu Aufgebautes wieder verlieren zu können oder auch schlicht und ergreifend aus dem Gefühl der Genügsamkeit und der Erschöpfung es bis hierher überlebt zu haben. Von dem finanziellen Abseits in das viele Betroffene rutschen mal ganz abgesehen. 

Oft sind sie bis Jahre und Jahrzehnten danach getragen von dem Gefühl: "Wenn du es wagst zu sprechen, dann...." Was ist dann? Was passiert wenn ich rede oder mich für mich selbst öffne? Wer hat denn wirklich Angst davor?

So viele Jahre danach zeigen diese sogenannten posthypnotischen Befehle und mit (Todes-) Ängsten besetzten Glaubenssätze der TäterInnen tief im Unterbewusstsein ihre Wirkung. Was jedoch viele Betroffene ihr Leben lang schwer belastet ist, dass die TäterInnen nicht nur ihre Schuld- und Schamgefühle auf uns als Opfer übertragen haben und uns damit in "Schach" halten, sondern auch ihre Ängste, das ihre Taten irgendwann zu Tage treten. Ein wesentlicher Grund, warum die meisten TäterInnen ihre Opfer ihr Leben lang nicht in Ruhe lassen und der Missbrauch und die Gewalt im Verborgenen weiter fortgeführt wird. Sie sind es doch gewesen, die uns gequält, gefoltert und zerstört haben und es im perversesten Falle auch noch mit ihrer krankhaften "Liebe" gespickt haben. Sie sind es, die sich schuldig an uns gemacht haben und sich schämen müssen. Sie sind es, die die Kontrolle und sich selbst soweit verloren haben, dass sie sich an einem, von ihnen auch noch abhängigen und schutzlosen Kind vergehen mussten.  

Sind diesem Kind nun entsprechende Seelenventile, wie Reden und Öffnung zur Aufarbeitung dieses Traumas verwehrt, bleibt diese verdrehte, um nicht zu sagen "ver - rückte" Gefühlswelt im Unterbewusstsein gespeichert und wird sich qualvoll seine Wege ins Bewusstsein des Menschen auf unterschiedlichste Weise suchen. Je länger diese Gefühlsventile verschlossen bzw. verstopft bleiben, umso schlimmer wird die Symptomatik auf körperlicher, geistiger und seelischer Ebene und damit auch im sozialen Umfeld desjenigen. 

Dieser Mensch wird "aufgefressen" von den Schuld- und Schamgefühlen, den Ängsten und der Selbstablehnung und der Selbstzweifel, die vom TäterIn auf ihn übertragen wurden. Er durchlebt den Seelentod immer und immer wieder und es fühlt sich an wie ein Sterben auf Raten. Eine Klärung kann nicht aus sich selbst heraus stattfinden und bedarf Hilfe von außen - und dazu gehört Reden und sich anzuvertrauen, um diese Gefühle in sich wieder gerade zu stellen und eine Distanzierung von diesen "Fremdgefühlen" möglich werden zu lassen. 

Durch das Weiterbeflogen der Redeverbote und andere Täterprogrammierungen, die lediglich zum Schutz der TäterInnen dienen und ihre Lebensversicherung darstellen, bleibt ein betroffener Mensch in sich selbst gefangen, isoliert und wird krank.

Im täglichen Umgang mit uns selbst und dem Trauma, welches nun einmal ein Teil unseres Lebens ist und auch bleibt, müssen wir also lernen uns selbst wieder die Redeerlaubnis zu geben und das Unaussprechliche aussprechen üben - zumindest für uns selbst. 

Ich weiß aus eigener Erfahrung wie schwer dieser Weg ist, aber auch wieviel Erleichterung ich für mich selbst erfahren habe als ich mehr und mehr für mich und meine Gefühlswelt öffnen konnte. Natürlich ist es nicht schön noch einmal "dadurch" zu gehen, aber es hat mir gezeigt, dass ich heute sehr wohl im Stande bin eben die Gefühle auszuhalten, die ich damals aus Schutzgründen verdrängen musste und die mich als Kind gnadenlos überrollt und überfordert haben. Ich habe gesehen, dass alles nur möglich war, weil ich ein Kind war und weitere Übergriffe, Demütigungen und Vergewaltigung durch andere Menschen auf diese bis dato unverarbeitete Traumatisierung aufbauten und ich aus diesem Grund nie Grenzen setzen konnte. Eine sehr schmerzhafte Erkenntnis, aber eine, die mich verstehen ließ und vor allem mir den Weg bereitete, um mir selbst zu verzeihen und Veränderung möglich werden zu lassen. Wie lange plagten mich Schuld- und Schamgefühle scheinbar immer wieder in die gleichen Fallen zu tappen, immer wieder Opfer zu werden als wenn es mich verfolgte. Diese Qual sollte damit ein Ende haben, denn nun kannte ich meine Achillesfersen und wusste wovor ich mich schützen muss und wie ich mein Leben für mich gestalten muss, um mich nicht nur wieder selbst zu spüren, sondern oben drauf auch glücklich zu sein. Denn auch das war eine der wichtigsten Erkenntnisse, dass ich hinter dem ganzen Schmerz, der Qual und all diesen so lange verdrängten und unaussprechlichen Gräueltaten, endlich wieder mich selbst und Frieden mit mir selbst spürte. Als ich dieses Gefühl das erste Mal hatte, fühlte ich endlich, dass ich einen Weg gefunden hatte, um aus meinem Gefühlschaos und aus dem Teufelskreis des Opferdaseins herauszukommen. 

Natürlich war es nicht leicht diese neugewonnene Öffnung zu mir selbst aufrecht zu erhalten und ganz klar ist auch, dass ich es ohne die entsprechende Hilfe von anderen, die den Weg schon gegangen sind nicht geschafft hätte die nötige Stabilität aufzubauen, aber ich hatte "Feuer" gefangen und die nötige Dynamik in mir selbst wiedergefunden. Endlich! Damit war der Weg immer noch dornig, aber leichter, da ich ein Ziel vor Augen hatte wofür es sich zu kämpfen lohnte - um mein selbstbestimmtes und endlich wirklich freies Leben!

Was ich brauchte war Hilfe zur Selbsthilfe, denn ich wollte lernen, wie ich mit den Gefühlen, die mich im Alltag einholten umgehen kann. Dazu ist natürlich ein Verständnis für Trauma und die seelischen Schutzmechanismen wichtig, aber auch  Erinnerungsprotokolle oder Tagebücher haben mir gut geholfen die Realität anzunehmen und zu verstehen wie ich der Mensch geworden bin, der ich nun mal gegenwärtig war. Sprechen war für mich sehr schwer und damit war Schreiben eine sehr gute Alternative. Und wenn es erstmal aufgeschrieben ist, ist der Weg es verbal zu äußern auch nicht mehr weit. Denn wer schreiben kann, kann auch reden.

Ist die erste Hemmschwelle erstmal überschritten, gibt es kein zurück mehr und einem selbst wird klar, welch eine Leistung man vollbracht hat, um zu Überleben und darauf zu warten endlich einen Ausweg zu finden. Ich konnte meine Kraft und auch den Stolz auf mich wieder spüren.

Wichtig ist immer aktiv im Hier und Jetzt zu sein, wozu therapeutische und fachkompetente Hilfe natürlich eine wichtige Stütze bildet. Und auch wenn viele, so wie auch ich, unter chronischer Ungeduld leiden, ist es wichtig sich auch immer wieder vor Augen zu führen, dass Gefühle, gerade verletzte, ihre eigene Dynamik haben, viel Zeit, Verständnis und Geduld benötigen. Mein Beispiel für ich war immer ein Baum, der nicht schneller wächst wenn man an ihm zieht. Oft war das natürlich sehr ernüchternd und ich wurde wütend, da ich keine Zeit mehr verlieren wollte und mein Lebenshunger groß war.

Also auch Ruhepausen sind wichtig und wenn Ihr auf Euren inneren Kompass und damit Eure innere Stimme hört, spürt Ihr auch, wann eine Pause und auch ein wenig Ablenkung, um neue Kräfte zu tanken wichtig ist. Gibt es dann noch wenigstens eine Vertrauensperson, bei der Ihr Euch gute und bestärkende Gefühle holen könnt ist das ideal. 

Nutzt Eurer inneres Gefühlsradar, lernt Euch wieder zu vertrauen indem Ihr Euch traut wieder zu fühlen und "Ja" zu Euch zu sagen. Das Leben wird um so vieles reicher, auch wenn der Schmerz erstmal oben auf liegt. Wahres Selbstvertrauen kommt aus einem selbst"bewussten" Umgang mit sich selbst, denn das Wichtigste ist zuwissen wer man wirklich ist und dass man sich selbst wieder fühlen kann. Wie sonst soll ich die für mich richtigen Entscheidungen in meinem Leben treffen und mich nicht mehr durch mein Schicksal gelebt fühlen, sondern wirklich selbstbestimmt leben?

Eigene Grenzen setzen und Ansprüche stellen - mit gutem Gefühl. 

Gerne möchte ich mich mit Euch darüber austauschen und erfahren was meine Erfahrungen und Ansichten bei Euch auslösen, ob Ihr diese als hilfreich oder auch nicht empfindet und was Ihr für Wege gehen möchtet oder auch schon gegangen seid. Ich freu mich auf Euch, wenn Ihr wollt hier im Blogbereich oder anonym im El Faro Forum unter elfaro-verein.berlin.org

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