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Hass erlaubt?! Verbotene oder notwendige Gefühle eines sexuell missbrauchten Menschen?!


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Hass – ein furchtbares Wort und sicher eines, welches wir nicht in unserem Alltag benutzen möchten.


Stellt man sich jedoch einen Menschen vor, der sein eigenes Kind oder ein Kind, welches ihm zum Schutz anvertraut wurde, emotionale, körperliche und im schlimmsten Fall sogar sexuelle Gewalt antut, ja es vergewaltigt und systematisch sexuell ausbeutet und sogar verkauft, was löst das in einem aus?

Reicht da das Wort Aggression, Wut, Ärger, Empörung oder Zorn?

Und ist es nicht so, dass die Vorstellung, dass ein Fremder oder eine Fremde dies einem Kind antut, es einen also nicht selbst betrifft, noch mehr Raserei auslöst?

Ist es nicht auch für Selbstbetroffene leichter, sich stellvertretend für die sexuell missbrauchten Kinder, die beispielsweise durch die Medien, weit weg von ihnen, auftauchen aufzuregen und Partei zu ergreifen als für sich selbst und gegen die eigenen TäterInnen?

Gegenwehr = noch mehr Schmerz für sich oder die Liebsten = (Todes-)Angst

Zu viele Verbote und Drohungen, die sie gelehrt haben, dass die eigene Abwehr und Gegenwehr nichts bringt außer erneutes Leid und Schmerz. Gegenwehr bedeutet Konsequenzen, die nicht selten mit Todesdrohungen, seitens der TäterInnen, belegt werden und die sich tief in den Betroffenen abspeichern. Einem Kind Angst und Schrecken einzujagen ist mehr als leicht und es ist schnell in seiner Existenz bedroht.

Dieses Gefühl zieht sich bis ins Erwachsenenalter durch und wird immer wieder aktiviert, wenn der Mensch in eine Situation gerät, die ihm unterschwellig einen Rückblick auf diese kindlichen Existenzängste gibt. Automatismen, auf die der Betroffene keinen echten Einfluss nehmen kann.Kleinste Erfahrungen, die mit Überwindung und Durchsetzung zu tun haben, grenzen an diese bedrohlichen Ängste und versetzen den Betroffenen in die Schockstarre von einst. Handlungsunfähigkeit und Lähmung setzen ein, so dass sich auf diese Weise die Erfahrung unbewusst und damit unkontrollierbar immer und immer wieder wiederholt und festigt.


Nur sprechen wir hier natürlich nicht „nur“ von Durchsetzungsschwierigkeiten beim Bäcker in der Schlange, in der sich mal wieder der Nachbar vordrängelt, da er weiß, dass das kleine, graue Mäuschen von nebenan sich nicht wehren wird und er so seinen Tag rettet, indem er kurzfristig Macht über einen anderen Menschen hat. Eine Befriedigung, die er vielleicht sonst in seinem Alltag nicht findet.Nein, wir reden hier von dissoziativen Momenten, in denen der Betroffene, das Opfer von einst, in seinen betäubten, traumatisierten Anteil fällt und so jeder, eben auch der üble Nachbar, der bereits ein alter Mann sein kann oder auch der kleine, freche Nachbarsjunge, Macht über den Betroffenen und seine Gefühlswelt ergreifen kann. Ein fataler Mechanismus, der in dem Kindheitstrauma begründet ist und der sich tief ins Unterbewusstsein eingeschliffen hat.



Wenn noch Täterkontakt besteht:


Gibt es in dem Leben des Betroffenen nun auch noch Kontakt mit den TäterInnen von einst, wird dieser Mechanismus allein durch die Anwesenheit immer und immer wieder aufrecht erhalten und dies nicht selten auch durch erneute Übergriffe in unterschiedlichster Weise. Aber auch Trittbrettfahrer, die ähnliche Absichten hegen, ergreifen im schlimmsten Fall die Macht, indem sie unbewusst oder auch bewusst in die tätermanipulierten Gefühlsmechanismen des betäubten Opfers einsteigen.Viele Betroffene berichten, dass dieser Zustand einer Hypnose ähnelt. Sie fühlen sich wie ferngesteuert, wie einer Marionette gleich, ohne jegliche wirkliche Kontrollmöglichkeit.Sind diese Mechanismen nicht bewusst für den Betroffenen kontrollierbar, ist die Gefahr sehr groß, dass diese, oft zu frühester Kindheit geschlagene Achillesferse, von anderen kontrolliert wird und er so erneut zum Opfer gemacht werden kann. Die Ohnmacht der Opfer ist die Macht der TäterInnen.



Die ewige Schuldfrage

Ganz klar liegt die Schuld dieser Verhaltensweise des Betroffenen nicht bei ihm selbst, sondern bei denen, die ihm diese Verletzung und diesen „blinden Fleck“ zugefügt haben. Wohlgemerkt als Kind blieb uns nichts anderes übrig, als zu verdrängen und bestimmte, von Natur gegebene Abwehr- und Schutzmechanismen, auf die wir reflexartigen Zugriff haben, konnten sich gar nicht erst entwickeln. Zu früh wurden sie im Keim erstickt und es begann eine „Normalität“, die alles andere als das war. Wir lebten gezwungenermaßen das Leben der Anderen und durch die immer wiederholte Traumatisierung wurden wir zu einem Halbtoten, einem Menschen, dem der Zugang zu sich selbst blockiert und betäubt wurde, der Angst vor Gefühlen hat und der deswegen nicht ausreichend im Stande sein kann, aus sich selbst heraus zu agieren, so wie es von Natur aus vorgesehen ist. Wir werden von uns selbst weggebracht und schalten, um zu überleben, quasi ab und verdrängen das Erlebte.

Dissoziation – Abschaltmechanismus

Auch wenn es für einige vielleicht weit hergeholt scheint, so beschreiben den „Abschaltmechanismus“ viele Betroffene ähnlich der Hypnose. Natürlich ist dieser Schutzmechanismus der Seele psychologisch über den psychischen Schockzustand zu beschreiben und der Mensch fällt in den sogenannten Freezezustand – ein seelischer Notfall. Die Angst, die zur Lähmung wird, übermannt ihn und der Schutz wird zur Gefahr durch den Kontrollverlust. Die Angst ist die Eingangstür für jeden TäterIn, da kein TäterIn der Welt sich mit einem Stärkeren anlegen würde. Daher ist es für die Betroffenen so wichtig, sich diesen so tief verankerten und komplexen Ängsten zu stellen und sie durch die Bewusstwerdung kontrollieren zu lernen – also stärker und im Notfall aggressiver als die TäterInnen zu werden, um bei klarem Bewusstsein die nötigen Schutzmaßnahmen einleiten zu können.

Entweder Du gehst bewusst durch die Hölle oder die Hölle geht unbewusst durch Dich.

Bleibt man bei dem Beispiel der Hypnose, so weiß man, dass ein Mensch sich nur hypnotisieren lässt, wenn er dem zustimmt, innerlich „ja“ sagt, also sich auf die Hypnose einlässt. So ähnlich oder vielleicht genauso ist es auch in der Aufarbeitung des „Abschaltmechanismus“ bzw. der Dissoziation.

„Aber ich habe doch keinen Abschaltmechanismus, ich weiß doch, was ich tue!“ – Worte einer Selbstbetroffenen, die ihren familiären sexuellen Missbrauch über dreißig Jahre verdrängen musste.


Aus meiner eigenen Erfahrung habe ich gelernt, dass all die Geschehnisse meiner Vergangenheit, die ich über dreißig Jahre verdrängen musste, dazu geführt haben, dass ich sehr wohl Opfer von Dissoziationen war, auch wenn ich mich nicht bewusst daran erinnerte.

Im Rahmen meiner Aufarbeitung, die ich in meinem persönlichen Fall nur in Kombination mit Opferschutz nachhaltig beginnen konnte, stellte sich ein erschreckendes Bewusstsein ein, dass ich aus meinem Trauma heraus - dem inneren Kind - bereits auf ganz bestimmte Gefühle, die mir entgegengebracht wurden, in die Handlungsunfähigkeit geriet. Dieses Phänomen war, obwohl es solange ein entscheidender Teil in meinem Leben war, neu für mich. Schließlich wurde es mir erst jetzt bewusst und ich stand vor der Wahl, mich wieder zu verschließen. Die Illusion der alten Welt war noch sehr nah und entsprechend verlockend.Erst im Rahmen des Schutzes, der Gewissheit, dass kein Täter oder keine Täterin sich Zugang zu mir verschaffen konnte, war ich bereit, mich so tief für mich und mein Inneres zu öffnen. Die Gefahr wäre für mich zuvor viel zu groß gewesen und allein ohnehin für mich nicht möglich.Nun erkannte ich meine Reaktionsweisen, wenn mir jemand auch nur körperlich zu nah kam, mich liebevoll umarmen wollte und ich in unterschiedlichsten Situationen nicht im Stande war, nein zu sagen. Auf einmal ertrug ich Dinge nicht mehr, die mir vorher normal schienen und ohne jegliche Gefühlsregung möglich waren. Meine Wahrnehmung für mich selbst schärfte sich und ich bekam ein Gefühl zu meinen Ängsten. Aber verdammt, ich war dreißig, ich konnte doch nicht solche Ängste haben!? Ängste einer gefühlt vierjährigen? Ernsthaft? Nein! Durch die Ermunterung meiner Helfer und anderer Selbstbetroffener öffnete ich mich weiter, erkannte, was hinter diesen Ängsten steckte. Denn es waren natürlich auch sexuelle Gefühle und Aggressionen, die mich ängstigten und mich innerlich abschalten ließen. Wenn auch nur die Möglichkeit bestand, dass jemand autoritär oder aggressiv reagieren könnte, geriet ich innerlich in Panik, da es mich an Schläge, sexuelle Übergriffe und verbale Attacken erinnerte. Ablehnung und „Zuvielsein“ wurde ein Thema. Nichts war mehr selbstverständlich aus dieser Perspektive. Es war erschreckend, was ich alles verdrängt habe und wie wenig am Ende eigentlich von mir übrigblieb. Und doch war es so wichtig, auch wenn es oft surreal schien und unwirklich aus der Sicht der erwachsenen Frau in mir.  Eine Psychiaterin, zu der ich zur Begutachtung musste, fragte mich, warum ich mich auf so intensive Weise mit dem Thema beschäftige und ob eine Maltherapie oder ähnliches mit Kontakten zu nichtbetroffenen Menschen nicht hilfreicher wäre. Ich antwortete darauf, dass ich dreißig Jahre meines Lebens einen alles entscheidenden Teil von mir verdrängen musste und mein Leben dadurch nie richtig verstehen konnte, nicht wusste, wer ich bin und was mich ausmacht – in meinen Schwächen und Stärken und dass ich zur Zeit nicht anders kann. Meine damalige Bedrohungslage spielte ebenso eine entscheidende Rolle und meine Bedürfnisse konzentrierten sich einzig und allein auf das Erlangen meiner inneren und äußeren Sicherheit, die existenziell für meine späteren Lebenswünsche, wie Reisen, Leben, neue Erfahrungen und Leichtigkeit war.

Akzeptanz des inneren Kindes und das Spüren der Wut und verdrängten Hasses

Ich lernte mich kennen, mein inneres Mädchen, welches im Nirgendwo meines Unterbewusstseins Jahrzehntelang sein Dasein fristete und darauf wartete, befreit zu werden. Dies bedeutete Akzeptanz, Verständnis und Annahme. Ich war gefragt, Verantwortung für mich und mein Leben und die so lang verdrängten Gefühlswelten zu übernehmen. Erst dadurch erlangte ich meinen Selbstwert zurück und erst durch das Erkennen meines Wertes machte es für mich in all der Sinnlosigkeit und Hoffnungslosigkeit überhaupt erst Sinn, für mich zu kämpfen.Auf einmal hatte ich etwas zu verlieren!Auch die Erkenntnis, dass alles in meinem Leben, was nach dem kindlichen und jugendlichen Missbrauch geschehen ist, immer wieder auf das ursprünglichste Trauma und damit auf den kleinsten Anteil in mir zurückzuführen war, war insofern wichtig, dass ich darüber sah, dass ich weder Schuld noch Schamgefühle empfinden musste. Endlich war echte, gefühlte Abgrenzung möglich und ich spürte meine Wut und Kraft.Auch die Vorwürfe, die mich quälten, nicht vorher einen Ausweg gefunden zu haben, mein Leben an die Wand gefahren zu haben und ähnlich selbstzerstörerische Gedanken, konnte ich erst durch dieses tiefe Verständnis und die Öffnung für mein kindliches Ich loslassen.Es ist schon manchmal verrückt - im wahrsten Sinne des Wortes - wie sehr man sich selbst vergisst und seine Vergangenheit nach dem Maßstab eines Erwachsenen beurteilt und misst. Ein fataler Fehler und eine unglaublicheErleichterung auch bezogen auf die Selbstvorwürfe und die Selbstkasteiung.

Meine Macht als Opfer und Überlebende und Kämpferin

Nach und nach konnte ich mit Hilfe die Verbote und Maulkörbe der TäterInnen nicht nur erkennen, sondern auch auflösen, indem ich lernte, mich und meine Gefühle, die konditionierten und die eigenen, zu verstehen und auch kontrolliert für mich und mein Umfeld gesund auszuleben. Es war in Ordnung zu weinen, den Schmerz zuzulassen, den Frust, die Trauer und auch die Wut und ja, auch den Hass auf meine Eltern, meine Familie und all die Mitwisser und Ignoranten, die mich sehenden Auges zerstörten, opferten, aufgaben und sich damit (mit-)schuldig machten. Das Recht anzuklagen war neu für mich und so wichtig für meine Persönlichkeitsentwicklung und zur Zurückerlangung meiner Authentizität, meiner Selbst, meiner Grenzen, meiner Würde und nicht zuletzt meiner Gesundheit, meines Lebens.Selbstverständlich waren alle Gefühle, die jahrelang in mir gestaut und verborgen waren, dafür wichtig, aber um den alles entscheidenden Abschaltmechanismus, nie wieder Opfer zu werden, mich nie wieder in die seelischen Abgründe treiben zu lassen, kontrollieren zu können, war das Zulassen der Wut und des Hasses auf meine Eltern und alle, die in irgendeiner Weise beteiligt waren, lebenswichtig. Es war ein Schwimmen gegen den Strom, denn bei allem Bewusstsein, was meine Eltern mir angetan haben, ging es dennoch gegen meine Natur, die eigene Familie zu hassen. Ich trotzte meiner Hemmung, verstand ich doch, es war wichtig, wollte ich lernen, mich künftig nicht nur abzugrenzen, sondern auch mein Leben zu verteidigen. Ein existenzieller Punkt, da ich nach wie vor bedroht und verfolgt wurde und wenn ich diesen verfluchten Abschaltmechanismus nicht in den Griff bekommen würde, dann war alles umsonst. Das durfte nicht geschehen, wo ich mich nun endlich selbst spürte, verstand, dass ich nicht Schuld war und ich die Chance auf ein echtes Leben danach hatte. Darauf galt es aufzupassen, mit allem was nötig war. Und ich wusste, die die mich zum Schweigen bringen wollten und mich lieber als psychisch krank abgestempelt hätten, würden ihrerseits alles tun, um mich im richtigen Moment erneut einzuschüchtern und mundtot zu halten.



Umgang mit Ängsten im Alltag


Gegen meine Angst half nur Aggression. Spürte ich Angst in mir, wegen einer scheinbar banalen Alltagsituation, lernte ich, in die Aggression zu gehen, eine innere Entscheidung zu treffen. Am Anfang schien dies unmöglich, aber ich lernte, es funktioniert. Auf einmal hatte ich Macht über meine Gefühle und konnte entscheiden, ob ich in die Depression und das traumatisierte Kind gehen wollte, das weinende und verzweifelte Mädchen also, oder in die Erwachsene, die sich schützend vor das Mädchen stellte, um sie zu beschützen, indem ich wütend darüber wurde, dass ich diesen verdammten Mechanismus durch die TäterInnen in mir trug und sich jemand erdreistete, diesen für sich auszunutzen. Mehr und mehr lernte ich, Verantwortung für mich selbst zu übernehmen und das Gefühl, Macht über das eigene Leben zu erlangen, war einfach großartig und für mich kaum zu glauben, dass dies nochmal möglich sein würde. So baute sich in mir ein neuer Mechanismus zu meinem Schutz auf. Sätze wie: „Ich lasse nicht mehr zu, dass mir irgendjemand Angst macht!“ „Ich bestimme meine Leben!“ „Ich werde nie wieder Opfer!“ „Ich werde niemals den Weg der TäterInnen gehen und menschlich sein!“ „Ich habe das Recht, mich und mein Leben zu verteidigen!“ Gesetze, wie der Notwehrparagraf und das Grundgesetz bekamen Bedeutung und meine, durch die TäterInnen, auf den Kopf gestellte Welt bekam wieder die richtige Ordnung. Grenzen zu ziehen, sie wieder aufzubauen und auch bei meinem Umfeld zu respektieren, sensibler und rücksichtsvoller zu werden, war eine Lernaufgabe. Zu verroht war die Welt, die mich prägte.



Stärke liegt in Öffnung

Das heißt, die Stärke lag darin, mich in meiner Sensibilität zu öffnen, mein inneres Kind und damit meine Vergangenheit als Teil meines Lebens zu akzeptieren, zu integrieren und darüber das „Gefühlsradar“ für mein gegenwärtiges Leben zu nutzen. So ist nicht nur Wut sondern auch Hass in mir vorhanden, den ich immer dann einsetzen werde, wenn mir jemand auf die Weise, wie meine Eltern und andere es taten, zu nah kommt bzw. dementsprechend mein Leben bedroht. Je sensibler ich wurde, um so größer war der Wert für mich und mein Leben und umso mehr wuchs in mir der natürliche Wunsch und Trieb, dies zu beschützen. Es war fortan nicht nur ein Überleben, sondern ein Leben, welches es zu schützen galt.


Hass zerstört das Opfer und bindet es auf toxische Weise an den TäterIn – wirklich?

Für diejenigen unter Ihnen, die nun argumentieren, mit Hass bindet man sich an die TäterInnen, es sei zu radikal gedacht und man verschwendet wertvolle Energie und der Weg des eigenen Friedens führt über Loslassen und damit irgendwann in seinem Leben auch zum Verzeihen, möchte ich sagen, dass meine Erfahrung bisher ergeben hat, dass der Mensch, dem ich verzeihen muss, zunächst ich selbst bin. Sexualisierte Gewalt durch die eigenen Eltern kann nicht prägender und persönlicher sein und am Ende sind wir auch alle Opfer des jeweiligen Standpunkts der Evolution.Die Frage des Verzeihens ihnen gegenüber muss wohl jeder für sich selbst beantworten und letztendlich muss auch jeder seinen eigenen Umgang für sich und sein Leben finden. Ich weiß nur, dass die Wunden und Achillesfersen, die sie mir geschlagen haben, nie gänzlich verschwinden werden, da die Verletzung zu tief geschlagen ist und über einen viel zu langen Zeitraum mit hoher Intensität an einem Kind, welches sich noch in der Entwicklung befand, geschehen ist. Meine Vergangenheit wird immer Teil meiner Gegenwart und meiner Zukunft bleiben und ich werde immer ein anderes Leben leben und muss dementsprechend auf mich achten.


Haben Eltern, die ihr Kind sexuell missbrauchen und ihm Gewalt antun, das Prädikat Eltern verdient und würde dies im Umkehrschluss nicht auch bedeuten, dass wir mit unseren Sehnsüchten nach ihnen Menschen nachjagen, die es für uns in der Form gar nicht gibt?


Eltern sind die Matrize für unser Frauen- und Männerbild und durch die Konditionierungen und fehlerhaften Gefühlsverknüpfungen reagieren wir oft unbewusst aus dem traumatisierten Kind, auch um Defizite auszugleichen, projizieren, gerade als Missbrauchsopfer, die Eltern auf unser Umfeld. Dies lässt uns zum Opfer werden, indem wir uns anpassen, falsche Erwartungen hegen, Verantwortung abgeben, aber auch die Wut und unsere Verletzungen auf andere Menschen übertragen. Viele Betroffene machen sich später abhängig von anderen Menschen, um ihre verborgenen Sehnsüchte auszuleben, sind unfrei und auch unfähig, wirklich zu lieben, da sie keinen vollständigen Zugang zu ihren Gefühlen zulassen können. Das Chaos und die sich immer wiederholenden Probleme sind vorprogrammiert und es ist eine Frage der Zeit, wann die Vergangenheit sichtbar wird - auch eine Form des Verdrängens und Abschaltens.Viel schlimmer ist jedoch, dass Männer und Frauen, die wildfremd sein können, auch auf die sexuelle Konditionierung Zugriff erhalten, wenn der sexuell missbrauchte Mensch nicht auch hier die natürlichen Grenzen wieder ziehen kann und den Abschaltmechanismus überwunden hat. Denn, wenn auch vieles im Alltag wiederhergestellt werden konnte, so ist die sexuelle Komponente die, für die man sich am Schwersten öffnen kann und Betroffene so mit einem Bein am Abgrund stehen lässt.

Die Angst vor Sexualität – die Wurzel des Traumas durch sexualisierte Gewalt

Sexuelle Spannungen in mir oder wenn ich sie auch in anderen spürte, lösten über Angst den Abschaltmechanismus aus und damit den Freezezustand. Die Reaktionsweise war die des konditionierten Kindes und Mädchens, die ihrem Vater zu gehorchen hatte und die gelernt hatte, sie sei es selbst, die es so wollte und dessen Sexualität einzig und allein dem Vater und / oder der Mutter gehörte. Das heißt, ich glaubte, ich wolle es so und machte mit. Kaum jemand macht sich wirklich klar, dass auch dieses Verhalten sich in das Erwachsenenleben überträgt und man auf diese Weise, ohne den Zugang zu diesen Mechanismen und dem Trauma selbst, sein Leben lang willfähriges und abgeschaltetes Opfer bleibt, ohne dass man es will oder bewusst hat. Man lebt ein Leben, welches nicht seins ist, ohne es zu merken. Oder was denken Sie, warum viele auch im Erwachsenenalter Vergewaltigungen verdrängen und warum sich in einem Vergewaltigungsopfer, welches vom Verstand weiß, dass es dieses selbst nicht wollte, Schuld- und Schamgefühle so hartnäckig halten und diese es sogar in den Suizid treiben können?

Merken Sie die Verbindung zu der Hypnose?


Es ist eine Form des hypnotischen Zustandes, der einem nicht das Bewusstsein nimmt, man aber aus der Manipulation heraus reagiert.Ein Mensch, der als Kind derart konditioniert wurde, benötigt nur geringe Auslöser, um in die für ihn unter Umständen lebensbedrohlichen Verhaltensweisen abzurutschen. Sogenannte Trigger, die die Betroffenen sich oft wieder mühsam ins Bewusstsein holen müssen, um ihre natürlich Reaktionsweise zu ihrem Selbstschutz wiederherzustellen. Mögliche Auslöser des Abschaltmechanismus / der Dissoziation:

- Gesten, MimikenWorte, Situationen

- Gerüche, Räume, Gegenstände usw.

- Gefühle,Sehnsüchte, ungestillte Bedürfnisse - Ängste, Unsicherheiten - sexuelle Gefühle - Aggressionen - Mitleid - uvm.

- aber auch bestimmte Menschentypen und / oder Lichtzeichen, Farbencodes u.ä.


Es sind die tief und nur schwer sichtbaren, unterbewussten Prägungen und Automatismen eines Menschen, der in so früher Zeit und oft über Jahre und Jahrzehnte hinweg durch eine derart nahestehende Person wie den eigenen Vater und die eigene Mutter sexualisierte Gewalt und Gehirnwäsche erleiden musste. Natürliche Gefühle wie Liebe zu den Eltern werden mit Sexualität, Gehorsam, Macht und Demütigungen gekoppelt. Angst wird zum Lebensgefühl und damit auch die Dissoziation und die Lähmung. Ein Leben als Zombie, als Halbtoter, in dem die Hoffnung mehr und mehr schwindet, jemals wieder die Aussicht auf ein „normales“ Leben zu haben. Sollte er dann doch die Chance haben, dem Teufelskreis zu entkommen, den Täterkontakt abbrechen zu können, beginnt erst der eigentliche Kampf: der Kampf um die Seele und damit die Suche nach sich selbst und seiner eigenen Identität. Sich selbst neu zu definieren, die fatalen und täterloyalen Gefühlsverstrickungen in sich zu entwirren und neu zu verkoppeln, erfordert professionelle und erfahrene Hilfe und eine große Portion Geduld für beide Seiten.



Spüren Sie bei diesem Gedanken nicht auch mehr als Wut?


Mein Hass, ob dessen was mir angetan wurde, baute sich mehr und mehr auf, je größer mein Blickfeld wurde, je mehr ich durchschauen konnte, wie perfide und subtil Missbrauch jeglicher Art für Spuren in mir und anderen hinterließ. Wie Gefühle meiner Mitmenschen meine eigenen beeinflussen und wie „ver-rückt“ ich und andere reagierten. Meine Wahrnehmung war massiv beeinträchtigt und ich musste lernen, dass mich nichts mehr schockierte und mich derart in Angst versetzt, dass meine Seele meint: ich bin dann mal weg!  Grundlagen, warum die Seele überhaupt für mein Leben wichtig ist, musste ich übrigens auch lernen. Schließlich war dies der Teil meines Seins, den ich zu meinem Selbstschutz unter Verschluss gehalten hatte und ich wuchs in einem seelenlosen Zuhause auf. Wer brauchte sie also? ;) Entschuldigen Sie, meine Ironie, aber diese Art von Galgenhumor brauchte es oft auf dem beschwerlichen Weg.



Wut als Gefühlsventil, Aggression als Lebenskraft und Hass als Lebensversicherung


Also kann man sagen, dass das Zulassen meiner gestauten Wut zunächst meine Lebensqualität, einschließlich meiner Gesundheit (Depression, Neurodermitis, Neurosen, Magen-Darm-Beschwerden u.a.) enorm verbessert hat und mein Lebenswille darüber zurückkehrte. Aber auch meine Angst, erneut zum Opfer zu werden, dass sich auch nur irgendjemand diese von meinem Vater und meiner Mutter geschlagenen Mechanismen für seine Perversionen und Triebe, zu Nutze machen könnte, trieb mich an, mich gegen alle möglichen Auslöser dieses, für mich lebensbedrohlichen Abschaltmechanismus entsprechend zu wappnen. Es war gleichermaßen nötig, mich weiter und weiter für die Abgründe des Missbrauchs und seiner Auswirkungen in meiner Seele zu öffnen, also sensibler zu werden, und ebenso hart und entschlossen diesen Archillesfersen nicht mehr zum Opfer zu fallen und so niemandem, außer mir, mehr Macht über meine Gefühlswelt zu geben.


Jeder von uns ist aggressiv, denn sich zu öffnen, gegen die inneren Mauern und Blockaden anzukämpfen, geht nur mit Durchsetzung und damit mit gesunder Aggression. Aggression heißt nicht, sich der Welt und anderen Menschen gegenüber zu verschließen. Sondern ganz im Gegenteil, ich musste mich für sie ebenso öffnen, wie für mich und meine Gefühle, damit ich erkennen konnte, ob sie Freund oder Feind sind bzw. unterscheiden zu lernen und konfliktfähig zu sein. Sprich, ob Menschen vielleicht einfach eher extrovertierte Typen sind und mit ihrer eher aggressiveren Grundhaltung nicht „böse“ sind, sondern einfach in ihrem Charakter dynamischer sind als ich oder andere. Die Anforderung war die Komplexität der Menschen in ihrer individuellen Persönlichkeit und ihren Reaktionsweisen bewusst in mich aufzunehmen und mich darüber weiterzuentwickeln und meinen Hass auf die Welt nicht an ihnen auszulassen bzw. zu projizieren, sondern diesen Hass in mir zu konservieren für den Fall, dass ich in die Situation komme, mein Leben verteidigen zu müssen. Erst wenn Du Deine Angst und den Schmerz spürst, kannst Du Dich schützen! Diese Verteidigung ist nur möglich, wenn ich dies aus meinem Inneren heraus schaffe und demnach bewusst. Egal was passiert, ich werde nicht abschalten oder innerlich weggehen, das war und ist mein Anspruch und damit meine Lebensversicherung. Und ich habe mir geschworen, dass ich alles tun werde, um mein Leben, mit allem was nötig und im legalen Rahmen ist, zu beschützen und dafür werde ich all den konservierten Hass in mir abrufen, den es braucht, umeinem ebenso hasserfüllten TäterIn, der es auf mich abgesehen hat, adäquat entgegentreten zu können.Wenn dies für den einen oder anderen übertrieben scheint: allein das Bewusstsein, dass dieser Zugriff auf diese Gefühle möglich ist, schützt schon ein ganzes Stück, erneut Opfer zu werden oder so behandelt zu werden. Menschen, die andere zum Opfer machen möchten und die ihrerseits ihren ganzen Hass auf die Welt gegen uns leben, ihre Autorität ausnutzen oder auch nur die Narbe auf unserer Seele sehen und sie für sich ausnutzen wollen, werden uns nicht mehr so leicht angreifen, wenn sie spüren, dass wir uns wehren werden und zwar aus dem wiedergewonnenen Selbstverständnis und Mechanismus heraus, der uns von Natur aus reflexartig mitgegeben ist.


Kein Opfer und auch kein Täter werden, sondern Mensch

Wie Sie sehen, geht es nicht darum, hasserfüllt durch sein Leben zu gehen, sondern ganz im Gegenteil. Menschlichkeit zurückzugewinnen, der Mensch zu sein, der man im Grunde immer war und darauf aufzubauen. Um dies zu können, braucht es allerdings noch ein einziges Mal den Weg der Erkenntnis, wie wir von uns selbst weggebracht wurden und uns die Lebenskraft und unsere Durchsetzung für uns selbst und unser Leben genommen wurde und wie uns diese Prägung im weiteren Verlauf fatal beeinflussen kann.Das Leben eines Betroffenen ist ein Besonderes und es gehört zu der Realität unserer Welt, dass es immer Täter und Täterinnen geben wird und dementsprechend ist es für das persönliche Sicherheitsgefühl eines Opfers von einst wichtig, das nötige Bewusstsein zu haben, sich im Falle eines Falles adäquat und in der Verhältnismäßigkeit der Mittel durchsetzen zu können und nicht innerlich wegzugehen. Ob dieser Fall dann eintreten wird, steht natürlich auf einem anderen Blatt und wird hoffentlich nie geschehen. Fest steht jedoch, dass das erstarkte Opfer nicht nur Überlebender ist, sondern Lebender.

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