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Behörden, Gutachten, Ärzte


Der Link zum Video: https://youtu.be/ASZYXt4HUNQ

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Wer kennt es als Betroffener von sexualisierter Gewalt nicht:


Die Ängste vor Behörden, Gutachten oder auch Ärzten oder Ärztinnen? Viele können Tage zuvor nicht schlafen, machen sich große Sorge um ihre Existenz, gerade wenn es um Gutachten oder gar Strafverfolgung geht. Die quälende Unsicherheit, ob einem glaubt wird, ob das Gegenüber offen für die eigene Problematik und die dazugehörigen Emotionen sein wird.

Was soll ich sagen, wenn ich nach Details gefragt werde? Wie gehe ich am Besten in die Situation rein? Ist es besser sich stark zu zeigen und auf keinen Fall zu weinen? Und viele Fragen mehr, die einen quälen.

Überlebensstrategien wie: "Niemals mehr werde ich mich einem fremden Menschen gegenüber weich und sensibel zeigen!" führt in die Härte und Verschlossenheit oder die andere Seite, die auf Mitgefühl und Sensibilität baut stellen den inneren Konflikt eines, in dieser Form traumatisierten, Menschen auf der Suche nach Hilfe, dar.



Wo liegen die Sorgen und Nöte?


Viele Betroffene haben Angst vor Stigmatisierung, Unverständnis, Herabwürdigung, erneuter Demütigung und Willkür. Die Erfahrung hat ihnen zu häufig gezeigt, dass es an der nötigen Offenheit für das Thema fehlt, sich nicht genügend Zeit genommen wird, damit sie die Chance haben sich in ihrem Leid verständlich zu machen.

Für Betroffene, die nicht reden können - und das ist die Mehrheit - ist es besonders schwer. Damit sind die Ängste und gleichermaßen die Hoffnungen groß auf einen Menschen zu treffen, der die nötige Empathie, das Verständnis, die Feinfühligkeit und damit Fachkompetenz zeigt.



Danach geht es mir sicher schlechter - die Angst vor Retraumatisierung


Nicht selten führen gerade solche Termine oder auch eine Beantragung von Hilfe und Unterstützung zu inneren Abstürzen oder gar zur Retraumatisierung. Dies geschieht durch die Konfrontation als auch der fehlenden fachkompetenten psychologischen Unterstützung auf dem Weg zum Ziel. Die Gefühle der Betroffenen können natürlich individuell variieren und es kommt auf unterschiedlichste Faktoren an, was solch ein Termin möglicherweise in dem Menschen auslöst.

Ängste bis Panikattacken, Übermüdung, Unsicherheiten, Überforderung und die Scham- und Schuldgefühle bestimmen oft über den nach Hilfe suchenden Menschen. Dies trübt und versperrt die Aussicht auf das Ziel und er ist in seiner alten, missbräuchlichen Gefühlswelt gefangen.



Öffnung vs. Verdrängung


Der innere Kampf zwischen Öffnung und Verdrängung, also zwischen dem inneren Kind und dem Erwachsenenanteil kommt einem Drahtseilakt gleich, bei dem der Fall in die Tiefe vorprogrammiert scheint - war es doch in seinem Leben immer so und haben doch am Ende immer die TäterInnen über sein Leben oder Sterben entschieden. Das Gefühl der Selbstzweifel und der ewigen und oft schon so tief verwurzelten Opferrolle prägt den so tief verletzten Menschen. Er hat den Glauben an sich verloren, die Würde und sein Recht auf Leben, wieso also sollte ihm geholfen werden, wenn es doch die letzten Jahre- und Jahrzehnte auch nicht so war? Hatten die TäterInnen dann vielleicht doch Recht? Gibt es keine Hilfe?

Depression gepaart mit Aggression und Frustration lassen die Hoffnung schwinden bzw. bieten nach alter Gewohnheit das Schutzschild des Trotzes, der so oft das Überleben sicherte. Der Betroffene und gleichzeitig Hilfesuchende verschließt sich und wird im Zweifelsfall, gerade auch wenn er allein vor dieser Aufgabe steht, dem Menschen gegenüber, der ihm helfen soll nicht die nötigen Informationen geben, um konkrete, individuelle Hilfe möglich werden zu lassen und die Weichen für weitere Genesung in seinem Sinne richtig zu stellen.

Im schlimmsten Fall ist die Abwehrhaltung aufgrund der inneren psychologisch ablaufenden Prozesse so stark, dass er durch die ein oder andere Triggersituation auch aggressiv reagieren kann. Steht der Hilfesuchende in Täterkontakt oder wird sogar gegenwärtig noch bedroht oder verfolgt, steigen die inneren Konflikte, mit der Intensität der, unter Umständen, bevorstehenden Übergriffe, entsprechend an.

Schlussendlich geht der Betroffene dann oftmals ohne Ergebnis nach Hause und fühlt sich in seinen Erfahrungen „mal wieder" bestätigt und ob er ein weiteres Mal den Weg aus seinem inneren und äußeren Teufelskreis herausgeht, den Mut und die Zuversicht entwickeln kann, steht in den Sternen.


Die Verantwortung für eine zielführende Hilfe und Unterstützung liegt am Ende auf beiden Seiten: Helfer und Hilfesuchender.



Ängste und auslösende Probleme durch den Helfer aus Sicht des betroffenen Menschen - die zwei Welten:


Der Betroffene geht, unabhängig ob er mit Begleitung zu dem Termin geht oder allein, zumeist aus dem inneren, traumatisierten Kind in das Gespräch. Für ihn geht es um sein Leben, seine Existenz. Er kämpft aus seiner Sicht vielleicht des erste Mal bewusst für sich und dann auch noch öffentlich. Die emotionale Seite ist aus seiner Sicht die Wesentliche, die wirklich Wichtige, um sich, seine Gedanken- und Gefühlswelt zu erklären - sie darzustellen.


Oftmals sitzen diese, derart schwerst traumatisierten Menschen das erste Mal vor einer ihnen fremden Person und zeigen ihre intimsten und sie bis ins Mark erschütternden Schicksalsschläge, die die Ursache für ihre Leiden darstellen.


Zusätzliche Schwierigkeiten stellt die eigene Verdrängung, das Redeverbot, die Prägung auf Sanktionen gepaart mit erneuten Übergriffen, als auch die oft unzureichend ausgebildete bis nicht vorhandene Fähigkeit sich, seine Gedanken und Gefühle auszudrücken, dar. Und dies auch noch in Anbetracht des Zeitdrucks und der vor ihm sitzenden Autorität punktuiert und strukturiert.

Die Gefahr der Projektion auf die helfende Person ist enorm und kann innerlich oft nicht erkannt und entsprechend abgegrenzt werden. Besteht nun noch die Problematik, dass der helfende Mensch unter Umständen eine ähnliche, nicht ausreichend aufgearbeitete Problematik mitbringt, ist das Risiko für Fehlentscheidungen, die drastische Folgen haben können, erheblich. Grenzen verschwimmen und der helfenden Person bleibt natürlich eher der Ausweg in seine Position der Autorität und Macht in der Rolle als SachbearbeiterIn oder Arzt oder Ärztin. Der Betroffene wird aus seiner Gewohnheit und den ihn zuvor zermatternden Be- fürchtungen seine Opferrolle bestätigt sehen und er ist erneut im Aufgabe-und Versagensgefühl gefangen - all seiner aufgebauten Hoffnungen und Bemühungen zum Trotz und den Täterkonditionierungen, wie unter anderem der Wertlosigkeit, der Sinn- und Hoffnungslosigkeit entsprechend.

Dies sind die zwei Welten aus der menschlichen Ebene betrachtet. Es gibt jedoch auch die Unterscheidung in der Herangehensweise, um das gemeinsame Ziel zu erreichen.



Sachliche Ebene trifft auf Trauma / emotionale Ebene


Zugleich trifft Emotionalität und Sensibilität auf Struktur und Fakten in einem festgesteckten Rahmen. Das heißt für den Hilfesuchenden oft, dass sein Scheitern vorprogrammiert scheint, wenn er zu sehr mit dem kindlichen "Ich" sein Leben gestaltet. Die Herausforderung liegt in der Stabilität als Betroffener aus dem erwachsenen "Ich" heraus zu reagieren bzw. die Fähigkeit der inneren Öffnung für sich selbst, um auf beide Ebenen Zugriff zu haben.

Dies ist für einen sexuell missbrauchten Menschen, in den seltensten Fällen möglich und dies auch erst nach einem intensiven Weg der Therapie.

Das eher sachlich, emotional distanzierte und strukturierte Vorgehen des Befragenden, der sich ein Bild von dem, ihm ebenfalls fremden Menschen machen soll, wirkt auf der Betroffenen schnell bedrohlich. Es kommt zur Assoziation mit dem missbräuchlichen Erleben, so dass der Helfer als TäterIn wahrgenommen und gegebenenfalls auch wie einer behandelt wird. Die Projektion läuft. Zusätzlich kommen möglicherweise Zweifel in der Glaubwürdigkeit des Hilfesuchenden auf, welche dem Verdrängungsmechanismus des traumatisierten Hilfesuchenden geschuldet sind. Der traumatisierte Mensch will sich eben durch diesen einstigen und möglicherweise immer noch lebensnotwendigen Schutzmechanismus der Seele selbst nicht glauben was er fühlt und sich durch Körpererinnerungen, Flashbacks und Gedanken unweigerlich in sein Bewusstsein drängt. Hier ist Feingefühl und Fachkompetenz dringend erforderlich.



Was kann helfen?


Da der Betroffene den Spagat zwischen Öffnung und Schutz seiner Verletzungen alleine nicht bewältigen kann, ist es sinnvoll eine Vertrauensperson als Begleitung mitzunehmen und das Gespräch zuvor gedanklich, als auch emotional zu durchlaufen und geübt zu haben.

Sich vorher bewusst gemeinsam mit folgenden Fragen auseinandergesetzt zu haben:

Was soll erreicht werden und worum geht es im Kern des Termins?

Was ist für mich wichtig, aber was ist auch für die Seite wichtig, die mir helfen soll? Wieviel Information ist nötig und wieviel ist für mich möglich? Fühle ich mich durch eine Vertrauensperson sicherer und ist es sinnvoll eine Begleitperson mitzunehmen?



Helfern helfen, um unser Ziel zu erreichen oder sich wieder für Menschen zu öffnen:


Es ist wichtig sich bewusst zu machen, dass wir es immer mit Menschen zu tun haben, die nicht zwangsläufig so tief in der Thematik Trauma, Psychosomatik, Opferschutz und sexualisierte Gewalt und deren Folgen eingetaucht sind. Sie haben nicht immer eine fachliche Ausbildung oder Schulung in diese Richtung bekommen und haben womöglich selbst eine ähnliche Erfahrung und sind dadurch nicht bereit sich zu öffnen.

Natürlich sind einige Punkte streitbar und vieles sollte sich verbessern, wichtig ist jedoch zum eigenen Schutz und Erfolg, dass man sich der jeweiligen Umstände entsprechend gut vorbereitet, sich professionelle Hilfe zur Vorbereitung holt und am besten nicht allein vor der Situation steht.



Wo bekomme ich die Erfahrungen?


Der Erfahrungsaustausch mit Selbstbetroffenen und Selbsthilfegruppen kann hier sehr hilfreich sein und man sollte sich nicht von den negativen Erfahrungen anderer verunsichern lassen. In dem Fall sollten eher konstruktive Lösungen, mit neuen Blickwinkeln für alle angestrebt werden. Fachberatungsstellen sind natürlich eine gute Wahl, da auch die Erfahrung der Helferseite in die Vorbereitung zum Termin mit einfließt und Brücken gebaut werden können.



Wie möchte ich durch mein weiteres Leben gehen: mit meinem kindlichen "Ich" oder als der erwachsene Mensch, der ich heute bin?


Das Kindliche, also die verletzte Seite in einem sexuelle missbrauchten Menschen ist in der Zeit des Aufbruchs des Traumas natürlich sehr präsent und stellt den wesentlichen Teil der Aufarbeitung dar. In solchen Situationen ist es jedoch wichtig sich nicht alte Verhaltensmuster fallen zu lassen, die Verantwortung für sich und sein Leben gänzlich anderen zu überlassen. Hilfe bedeutet, gemeinsam einen gangbaren Weg finden und nach und nach wieder Verantwortung für sich und sein Leben zu übernehmen. Auch wenn der Scherbenhaufen in uns durch andere verbrochen wurde, so ist es an uns in wieder aufzukehren und uns aus den Scherben neu zu erfinden - zu erstarken an unseren Schwächen. Alles andere würde eine erneute Abhängigkeit bedeuten und kommt für einen selbstbestimmten Lebensweg nicht in Frage. Steht doch fest, dass nur dort Hilfe möglich ist, wo auch die Bereitschaft zum Mitgehen vorhanden ist und ein Bewusstsein für die eigene Verantwortung.

Die Begleitung einer guten Freundin oder guten Freundes kann bei solchen Terminen als psychologische Stütze sehr hilfreich sein, selbst wenn der-oder diejenige vor dem Raum wartet, um den Betroffenen im Anschluss aufzufangen, sich auszutauschen und zu motivieren.

Das Idealste ist natürlich die Begleitperson mit in den Termin zu nehmen, so dass sie, ähnlich einem "Seelenanwalt" für einen einspringen kann, sollte einem die Stimme versagen oder wenn die Emotionen zu intensiv werden. Dies setzt des Einverständnis des Helfenden voraus und ist in den meisten Fällen möglich - es gibt spezielle Ausnahmen in denen es nicht möglich ist.



Unsere Erfahrungswerte:


Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass je offener man mit den Ängsten und Nöten vor solch einem Termin mit dem SachbearbeiterIn bzw. der zuständigen Person umgeht, um so verständnisvoller wurde reagiert. Eine Schilderung durch eine Begleitperson kann hier natürlich auch sehr förderlich sein, um Verständnis aufzubauen.

Stößt man nun auf absolute Sachlichkeit ohne jegliche emotionale Regung, sollte man sich in jedem Fall Hilfe von außen holen, um maximale Erfolgschancen zu haben. Ist der persönliche Weg nicht möglich oder nicht ausreichend, werden Schriftstücke benötigt. Diese können bei persönlichen Terminen ebenfalls mitgenommen werden und können durch einen Selbst erstellt sein oder durch eine Hilfsorganisation, die den derzeitigen Zustand darstellt. Dies ist dienlich, um Fakten für die eigene Akte bei der Behörde oder beim Arzt für später darauf aufbauende Atteste oder Nachweise festzuhalten. Ein objektiver, fachlich geschulter Blickwinkel der unterstützenden Hilfsorganisation kann Einiges bewirken und dient den Betroffenen als Entlastung die Fakten nicht in der Deutlichkeit selbst aussprechen zu müssen, wenn dies noch nicht möglich ist.

Abschließend kann man sagen, dass jeder Betroffene, trotz aller Ängste und Schwierigkeiten, Möglichkeiten und auch Macht hat, die er nur mit Hilfe und der Erfahrungen anderer gezielt einsetzen lernen muß. Und vielleicht ist es auch ein guter Antrieb die eigene Aufarbeitung in der gewünschten Stabilität und Sicherheit dafür zu nutzen, sich selbst als betroffener Mensch von sexuellem Missbrauch und Gewalt zu engagieren und mit seinem Handeln und seiner Stimme zur weiteren Veränderung und Verbesserung der Belange von Opfern beizutragen.

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